Kategorie: Migration, Wechselwirkungen Verpackungen/Lebensmittel + Sensorik

Migration, Geruchs- und Geschmacksbeeinflussung durch Verpackungen

  • Elisa Mayrhofer

    Elisa Mayrhofer

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst?

    Zurzeit bin ich am OFI, dem österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik, tätig. In verschiedenen Abteilungen werden hier Verpackungen, Food sowie Non-Food Produkte, auf diverse Parameter geprüft. Unser Angebotsportfolio ist hier sehr breit angelegt – neben chemischen, physikalischen und mechanischen Prüfungen werden auch Oberflächenanalysen (REM, Mikroskopie), Migrationsprüfungen und sensorische Bewertungen durchgeführt. Außerdem können Verpackungsmaterialien mit mikrobiellen und Zellkultur-basierten Labortests überprüft werden. Meine berufliche Expertise liegt in der Sicherheitsbewertung von unbekannten Substanzen, die aus Verpackungen in das Lebensmittel übergehen können und die mit klassischen Risikobewertungsmethoden oft nicht evaluiert werden können.

    Wie genau befassen Sie sich beruflich mit der Bewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien?

    Um unabsichtlich eingebrachte Substanzen (NIAS, non-intentionally added substances) in Lebensmittelkontaktmaterialien (LMKs) zu bewerten, werden meist chemische Analysenverfahren (GC-MS, HPLC) eingesetzt, mit dem Ziel, vorhandene NIAS zu identifizieren. Eine Identifizierung ist Voraussetzung für eine nachfolgende toxikologische Bewertung, allerdings ist oftmals eine eindeutige Substanzzuordnung nicht möglich. Diese Tatsache sowie fehlende toxikologische Befunde erschweren die Risikobewertung von LMKs. Am OFI verfolgen wir daher eine zusätzliche Strategie. Anders als bei klassischen Ansätzen müssen dafür nicht zwingend alle Einzelsubstanzen identifiziert werden, sondern kritische biologische Effekte, wie z. B. hormonelle oder mutagene Aktivität, ausgeschlossen werden. Solche Effekte können mit verschiedenen in-vitro Assays detektiert werden. Zurzeit arbeiten wir gemeinsam mit unseren Projektpartnern aus dem Fachbereich Verpackungs- und Ressourcenmanagement der FH Campus Wien im FFG geförderten Forschungsprojekt Migratox an der Entwicklung von passenden Methoden zur Bewertung von LMK-Migraten mittels Bioassays. Wenn Substanzklassen, die bereits in geringsten Konzentrationen gefährlich sein können – wie z. B. DNA-reaktive, genotoxische Substanzen – ausgeschlossen werden können, müssen Substanzen, die im Spurenbereich in die Verpackung übergehen, nicht zwingend einzeln identifiziert und risikobewertet werden.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?

    Sofern Grenzwerte auf toxikologischen Daten basieren, sind sie meiner Meinung nach ein gutes Mittel in der Risikobewertung. Klar definierte Grenzwerte erleichtern ein einheitliches Vorgehen, da einfach festgestellt werden kann, ob Substanzen in zu großer Menge in das Lebensmittel übergehen.

    Wie sollten die Behörden länderübergreifend kooperieren, um im Gesetzesdschungel mehr Sicherheit und mehr Einheitlichkeit für die Inverkehrbringer zu schaffen?

    Generell denke ich, wäre es ein guter Ansatz, gegenseitige Expertise zu teilen, natürlich auch länderübergreifend. Diese Kooperation bietet die Chance, von gegenseitiger Erfahrung zu lernen, um eine optimale Strategie in der LMK Risikobewertung zu identifizieren.

    Welcher Bereich sollte aus Ihrer Sicht vom Gesetzgeber dringend geregelt werden?

    Mir persönlich wäre es besonders wichtig, dass speziell in der Risikobewertung von NIAS genauer definierte Richtlinien festgelegt werden. Aber nicht nur die durchzuführenden Testungen, sondern auch deren Interpretation sollte geregelt werden.

    Die gesetzlichen Vorgaben werden immer strenger. Welche Konsequenzen kann das für Zulieferer und Hersteller, aber auch für die Verbraucher haben?

    Strengere gesetzliche Vorgaben können für den Verbraucher eine noch höhere Sicherheit von LMKs garantieren. Allerdings stellen diese Richtlinien Zulieferer sowie Hersteller immer wieder vor große Herausforderungen. Besonders in der NIAS Risikobewertung sind gesetzliche Anforderungen zurzeit technisch nicht gut umsetzbar. Neue Bewertungsstrategien müssen daher einerseits entwickelt, andererseits aber auch breit angelegt etabliert werden.

    Sie referieren über “Bewertung von nicht identifizierbaren NIAS mittels Bioassays”. Was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?

    Wie oben bereits erwähnt, versucht unser Forschungsteam neuartige Strategien zur Identifikation von kritischen Substanzklassen, wie mutagenen Verunreinigungen, in LMK-Migraten zu etablieren. Ein besonderes Anliegen ist es mir, die neu gewonnenen Erkenntnisse unserer Forschung an LMK-Hersteller zu vermitteln. Dieser Austausch gibt uns einerseits Feedback, damit wir unsere Forschung genau auf die Bedürfnisse der Anwender abstimmen können. Andererseits gibt es Partnerfirmen die Möglichkeit, diese neuartigen Strategien schon früh in ihrem Unternehmen zu etablieren, um möglichst bald von unseren Erkenntnissen zu profitieren. Gegenseitigen Diskurs finde ich daher ein sehr wichtiges Thema.

    Ihr Vortrag klingt spannend. Wie funktioniert die Methode und welche Vorteile bietet diese?

    Das Ziel der Methode ist es, die Risikobewertung bei Substanzen, die nur in geringen Mengen in das Lebensmittel übergehen, auf jene Verbindungen zu fokussieren, die in geringen Konzentrationen auch tatsächlich gesundheitsgefährlich sein könnten. Wenn man kritischste Effekte, die z. B. von DNA-reaktiven, genotoxischen Substanzen ausgehen, ausschließen kann, könnte das den Aufwand bei der Risikobewertung erheblich reduzieren. Dafür verwenden wir neben chemischer Analytik auch in-vitro Bioassays. Zunächst werden LMKs mit passenden Simulanzlösemitteln migriert. Diese Migrate werden in weiterer Folge konzentriert und danach zur Behandlung von speziellen Zelllinien heran gezogen. Ein Beispiel hierfür wäre eine Reporter-Zelllinie zur Detektion von hormoneller Aktivität. Diese Zelllinie wurde so verändert, dass der Hormonrezeptor nicht wie im Menschen Hormonproduktion steuert, sondern die Produktion von Luciferase fördert. Unter Zugabe von passenden Substraten wird durch Luciferase wie im Glühwürmchen eine Lichtreaktion ausgelöst, die in einem Luminometer detektiert werden kann. Die hormonelle Aktivität der untersuchten Probe ist direkt proportional zum emittierten Licht.

    Wenn ein Signal im Bioassay ausbleibt, kann nicht nur eine einzelne Substanz ausgeschlossen werden, sondern viel mehr die gesamte Substanzklasse, die diesen Effekt auslösen würde. Somit können viele verschiedene Substanzen mit nur einem Test ausgeschlossen werden, ganz ohne Substanzidentifikation.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich das Risiko nicht gelisteter Substanzen ein?

    Das Problem bei nicht gelisteten Substanzen ist, dass man das Risiko häufig nicht so leicht einschätzen kann, da hier vielfach keine toxikologischen Daten vorliegen. Verfolgt man unsere Strategie, kann man diesem Problem aber entgegenwirken, da Risikobewertung nicht basierend auf Substanzidentifikation durchgeführt wird, sondern Produkte am Vorliegen kritischer Effekte gemessen werden.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?

    Eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre ergibt sich sicher aus dem zu erwartenden gesetzlichen Druck, auf Recyclingmaterialien umzusteigen und gleichzeitig ein immer höheres Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Im Sinne unseres Projekts würde es mich natürlich sehr freuen, wenn Packmittelhersteller neuartige in‑vitro Bioassay basierte Teststrategien in ihr Bewertungsportfolio aufnehmen.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben?

    Wie auch beruflich, habe ich auch privat einen sehr starken „Entdecker/Forscher-Drang“. Ich begeistere mich gern für neue Dinge, stürze mich immer wieder gern in andere Projekte und strebe auch hier nach Verbesserung. Als Ausgleich zu meinen analytischen Tätigkeiten im Berufsleben versuche ich aber privat, meiner kreativen Seite mehr Raum zu geben und begeistere mich u. a. an dem Ausprobieren neuer (Back-) Rezeptideen.

    Um schon früh wissenschaftliche Kenntnisse auszubilden, besuchte Elisa Mayrhofer eine Höhere Technische Lehranstalt für chemische Industrie. Dieser chemischen Basisausbildung folgte im Jahr 2011 ein Studium der Genetik und Entwicklungsbiologie an der Universität Wien. Im Zuge ihrer Diplomarbeit beschäftigte sie sich mit Grundlagenforschung zum Thema Doppelstrangbruchbildung in der DNA im Modelsystem Saccharomyces cerevisiae. Ihr Masterstudium sowie die daran geknüpfte Forschungsarbeit wurden im Jahr 2018 mit dem Österreichischen Würdigungspreis ausgezeichnet. Seit 2018 ist Elisa Mayrhofer im Rahmen ihrer Dissertation in technischer Chemie (Technische Universität Wien) am OFI, dem österreichnischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik tätig. Dort ist sie als Teil eines motivierten Teams an der Entwicklung und Validierung von in-vitro Bioassay basierten Methoden zur Risikobewertung von Lebensmittelkontaktmaterialmigraten zuständig. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf der Genotoxizitätsbewertung.

    Am liebsten beschäftigt sie sich mit der Entwicklung und Etablierung neuartiger Methoden und Bewertungsstrategien.

  • Kleine Partikel, aber großes Problem: Dr. Ulrich Nehring über Mikroplastik

    Kleine Partikel, aber großes Problem: Dr. Ulrich Nehring über Mikroplastik

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst?

    Ich beschäftige mich seit mehr als 25 Jahren mit der Konformitätsbeurteilung von Materialien und Gegenständen, die für den Kontakt mit Lebensmitteln bestimmt sind. Darüber hinaus arbeite ich seit vielen Jahren in Arbeitsgruppen verschiedener Branchenverbände mit, die sich mit den lebensmittelrechtlichen Anforderungen an Lebensmittelkontaktmaterialien beschäftigen und gegenwärtig in engem Austausch mit dem Gesetzgeber nach einer zukunftsweisenden Überarbeitung und Ergänzung der gesetzlichen Anforderungen suchen.

    Wie genau befassen Sie sich beruflich mit der Bewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien?

    In meiner beruflichen Tätigkeit gibt es eigentlich drei Bereiche, in denen ich mich mit der Beurteilung von Lebensmittelkontaktmaterialien bzw. mit Konformitätsarbeit beschäftige:
    Einerseits bin ich als Gutachter bzw. Sachverständiger tätig und habe in diesem Zusammenhang die Aufgabe, die lebensmittelrechtliche Konformität von einzelnen Lebensmittelkontaktmaterialien im Auftrag meiner Kunden zu beurteilen und zu zertifizieren. Ich stütze mich dabei auf die sogenannten “supporting documents” und wissenschaftliche Grundlagen.

    Der zweite Bereich meiner beruflichen Tätigkeit ist die Schulung von verantwortlichen Mitarbeitern in Betrieben, die sich mit der Herstellung oder der Verwendung von Lebensmittelkontaktmaterialien und -gegenständen befassen. Es geht bei diesen Schulungen vor allem um die Vermittlung von Wissen über die komplexen lebensmittelrechtlichen Anforderungen in der EU und in anderen Teilen der Welt sowie über die Details einer dem Stand der Technik entsprechenden Konformitätsarbeit.

    Der dritte Bereich meiner beruflichen Tätigkeit ist die Mitarbeit in fachlichen Arbeitsgruppen von Branchenverbänden. Hier geht es gegenwärtig vor allem darum, die notwendige Überarbeitung der lebensmittelrechtlichen Anforderungen in der EU sowie in EU-Mitgliedstaaten mit fachlichem Input konstruktiv zu begleiten und voranzutreiben.

    Wie sollten die Behörden länderübergreifend kooperieren, um im Gesetzesdschungel mehr Sicherheit und mehr Einheitlichkeit für die Inverkehrbringer zu schaffen?

    Eine bessere Zusammenarbeit der Behörden ist tatsächlich länderübergreifend, das heißt in unseren föderalen Strukturen in Deutschland als auch staatenübergreifend in der EU, aber auch global notwendig.  

    In Deutschland kann man insbesondere in der amtlichen Lebensmittelüberwachung enorm große Unterschiede in der Intensität und Kompetenz der durchgeführten Kontrollen zu Bedarfsgegenständen in den Bundesländern feststellen. Dies ist nicht nur schlecht für den Verbraucherschutz, sondern führt auch in den betroffenen Unternehmen, deren Aktivitäten sich in der Regel nicht auf einzelne Bundesländer beschränken, zu großen Verunsicherungen.

    Auf internationaler Ebene in der EU, aber auch global kann man in den vergangenen Jahren einen Trend zu nationalen Alleingängen bei der Gesetzgebung zu Lebensmittelkontaktmaterialien und eine nachlassende Bereitschaft zu einer Harmonisierung erkennen.  Auch dies ist für den Verbraucherschutz sehr nachteilig und behindert zudem den freien Warenverkehr. Wir müssen es also schaffen, an einen Tisch zurückzukehren und mehr Bereitschaft zu Kompromissen aufbringen, wenn langfristig ein verbesserter Schutz für Verbraucher und gleichzeitig ein breites Warenangebot erreicht werden soll.

    Welcher Bereich sollte aus Ihrer Sicht vom Gesetzgeber dringend geregelt werden?

    In der EU ist ja der Katalog von Materialklassen, für die es keine Einzelmaßnahmen, das heißt keine spezifischen lebensmittelrechtlichen Anforderungen gibt, deutlich länger als der Katalog von spezifisch geregelten Lebensmittelkontaktmaterialien. Besonders problematisch ist dies sicher bei relevanten Materialklassen wie Papier & Karton, Klebstoffen, Lackierungen und Druckfarben. Die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte hat aber gezeigt, dass das Konzept der Rahmenverordnung mit Einzelmaßnahmen für alle Materialklassen gar nicht realistisch umsetzbar ist. Insofern ist es sinnvoll, über ein ganz neues Konzept nachzudenken. Genau dies wird ja auch auf europäischer Ebene gegenwärtig getan. Ich hoffe sehr, dass genügend Mut besteht, alte Zöpfe abzuschneiden und der Verantwortung der Lebensmittelunternehmer ein größeres Gewicht zu verleihen. Dabei darf allerdings das Prinzip der Guten Herstellungspraxis, das ja nicht nur dem Lebensmittelunternehmer abverlangt, stets nach dem Stand der Technik zu arbeiten, sondern auch seine Sorgfaltspflicht mit dem dynamischen Rahmen der technischen Machbarkeit sinnvoll begrenzt, aus den Augen verloren werden.

    Die gesetzlichen Vorgaben werden immer strenger. Welche Konsequenzen kann das für Zulieferer und Hersteller, aber auch für die Verbraucher haben?

    Eine systematische und wissenschaftlich begründete Verschärfung von Anforderungen ist ja ein Ausdruck der technischen Entwicklung und der sinnvollen Zielsetzung, Verbraucherschutz ständig zu verbessern. Solche Veränderungen der gesetzlichen Anforderungen werden von keinem, auch nicht von der beteiligten Wirtschaft, abgelehnt. Problematisch für Zulieferer und Hersteller von Lebensmittelkontaktmaterialien sind in den vergangenen Jahren besonders solche Rechtsvorschriften gewesen, die überwiegend aus politischem Aktionismus  heraus und ohne solide wissenschaftliche Begründung entstanden sind und meistens nationale Alleingänge dargestellt haben. Solche Anforderungen behindern nicht nur den freien Warenverkehr, sie können auch unmittelbar zu einer Verschlechterung des Verbraucherschutzes führen. Ein gutes Beispiel für eine solche Anforderung ist das Verbot von Bisphenol A in Frankreich.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich das Risiko nicht gelisteter Substanzen ein?

    Das gesundheitliche Risiko von Ausgangsstoffen für Lebensmittelkontaktmaterialien lässt sich ja nicht grundsätzlich, also pauschal, sondern nur sehr spezifisch bewerten. Ich sehe keinen Anhaltspunkt dafür, dass Lebensmittelkontaktmaterialien, für die keine Positivliste von Ausgangsstoffen aufgestellt wurde, grundsätzlich ein höheres gesundheitliches Risiko für Verbraucher darstellen als die wenigen Materialien, für die es eine solche Liste gibt. Entscheidend für eine Verbesserung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes wird es aus meiner Sicht sein, dass es uns gelingt, allgemeine Kriterien für eine Risikobewertung von Stoffen, die aus Lebensmittelkontaktmaterialien auf Lebensmittel übergehen können, zu definieren, die dem Stand der Toxikologie und Analytik entsprechen und zudem eine realistischere Expositionsbetrachtung berücksichtigen. Es gibt ja deutliche Anzeichen dafür, dass das Prinzip der Positivlisten nicht aufrecht zu erhalten ist, weil die Kapazitäten amtlicher Risikobewertungsinstitutionen in der EU bei Weitem nicht ausreichen, um in akzeptabler Zeit die enorm große Zahl an möglichen Stoffen aus Lebensmittelkontaktmaterialien zu bewerten und für eine Listung vorzubereiten. Eine Risikobewertung von Stoffen in der Verantwortung der Lebensmittelunternehmer nach gesetzlich festgelegten Prinzipien und Verfahren und  mit amtlicher Überwachung wäre nach meiner Einschätzung eine funktionierende und sichere Alternative.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?

    Hersteller und Inverkehrbringer von Lebensmittelkontaktmaterialien müssen  die Konformitätsarbeit deutlich detaillierter und intensiver durchführen. Dies ist vor allem für mittelständische Unternehmen, die ja den Markt beherrschen, eine große Herausforderung. Gelingen wird dies auch nur, wenn die Wertschöpfungsketten übergreifende Zusammenarbeit der Unternehmen weiter verbessert wird und mehr Transparenz in der Kommunikation herzustellen ist.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?

    Wo Grenzwerte wie SMLs existieren, ist der Nachweis von Konformität und Nicht-Konformität formal natürlich immer deutlich einfacher als ohne solche Maßstäbe. Die vorhandenen Grenzwerte stützen sich aber nicht alle auf eine Risikobewertung, die heutigen Ansprüchen noch genügen kann. Insofern muss man sich die Grenzwerte jeweils kritisch anschauen. Außerdem ist das Aufstellen von gesetzlichen Grenzwerten an komplizierte formale und amtliche Verfahren gebunden, die weder der Anzahl der zu bewertenden Stoffe noch dem Tempo der Innovation gerecht werden können. Insofern ist das Konzept der Grenzwerte im Bereich der Lebensmittelkontaktmaterialien zwar komfortabel für alle, die Konformität nachweisen oder überwachen müssen, es ist aber vermutlich nicht das Mittel der Wahl, um den Verbraucherschutz in diesem Bereich mittelfristig weiter zu verbessern.

    Sie referieren über „Mikroplastik – kleine Partikel und großes Problem?“  Was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?

    Als Naturwissenschaftler bewegen mich an diesem Thema vor allem die vielen unbeantworteten wissenschaftlichen Fragestellungen. Das fängt mit einer klaren Definition für Mikroplastik an und geht über ökologische und gesundheitliche Bedeutung sowie analytische Herausforderungen hin zu Optionen der Vermeidung. Was mich an dem Thema auch bewegt, ist das enorme Potential einer Emotionalisierung. Unsere Aufgabe als Naturwissenschaftler ist neben der Beantwortung der wissenschaftlichen Fragen auch, die Diskussion immer wieder so weit wie möglich auf einen sachlichen Teppich zurückzuholen und politischen Aktionismus ohne wissenschaftliche Begründung  nach Kräften zu vermeiden.

    Bei Mikroplastik denken die Verbraucher vor allem an Marine-Littering und in erster Linie an die Verpackungsbranche. Als erste Quelle von Mikroplastik wird allerdings der Abrieb von Autoreifen angesehen, der rund ein Drittel der gesamten Mikroplastik-Emissionen darstellt. Müssen wir zurück zu Pferd und Kutsche? Und ist die Verpackungsindustrie nur der Sündenbock?

    Dies ist schon ein erster Effekt der Emotionalisierung. Es ist bereits belegt, dass Mikroplastik in Gewässern überwiegend auf Abrieb aus Fahrzeugbereifung zurückzuführen ist und dass Verpackungen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Aber das Bild von einem Berg schmutziger PET-Flaschen, die am Ufer eines brackigen Gewässers dümpeln, ist nun einmal viel einprägsamer und im Fernsehbild einfacher darzustellen als kaum sichtbarer Reifenabrieb. Nichts gegen Reitsport und eine schöne Ausfahrt mit der Kutsche, aber ein Weg zurück, wenn es ihn überhaupt gibt, ist niemals die Lösung. Wir müssen nach vorne gehen, die Thematik sachlich und wissenschaftlich fundiert aufarbeiten und geeignete Lösungen entwickeln. Dabei kann ein Blick zurück auf Mittel und Wege, die der Vergangenheit angehören und vergessen sind, allerdings nicht schaden.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben?

    Obgleich ich ein echter Flachlandindianer bin, begeistern mich seit meiner Kindheit die Berge. Dort  bewege ich mich zu Fuß, auf Skiern oder mit dem Fahrrad und genieße die großartige Landschaft. Bei schlechtem Wetter oder Dunkelheit lese ich ein gutes Buch oder höre Musik. Wenn ich bei all dem meine Familie um mich habe, fehlt mir eigentlich gar nichts.

  • Dr. Ralph Derra über Klebstoffbewertung und -prüfung

    Dr. Ralph Derra über Klebstoffbewertung und -prüfung

    Wie sind Sie beruflich mit gesetzlichen Forderungen hinsichtlich Verpackungen befasst?

    Mein Institut, die ISEGA, beschäftigt sich im Schwerpunkt mit flexiblen Materialien für den Einsatz als Verpackungsmaterialien. Diese werden im Bereich Lebensmittel, Pharmazie und Medizinprodukte eingesetzt.

    Wie genau befassen Sie sich beruflich mit der Bewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien?

    Die Haupttätigkeit ist die Bewertung von Rezepturen der Rohstoffe bis zum fertigen Verpackungsmaterial. Auf diesen Informationen werden Prüfpläne zur Erstellung von Konformitätsunterlagen innerhalb der Produktionskette aufgebaut.

    Wie sollten die Behörden länderübergreifend kooperieren, um im Gesetzesdschungel mehr Sicherheit und mehr Einheitlichkeit für die Inverkehrbringer zu schaffen?

    Die Kooperation zwischen den einzelnen EU-Mitgliedsländern ist schwierig, da oft unterschiedliche nationale Voraussetzungen gegeben sind. Eine Vereinheitlichung innerhalb der EU ist auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre nur sehr langwierig möglich.

    Die gesetzlichen Vorgaben werden immer strenger. Welche Konsequenzen kann das für Zulieferer und Hersteller, aber auch für die Verbraucher haben?

    Ich glaube nicht, dass die gesetzlichen Vorgaben wirklich strenger werden; die chemische Analytik wird nur immer empfindlicher. Dadurch tauchen immer neue Probleme auf, zu denen dann die wissenschaftliche Bewertung fehlt. Es wird immer nicht ausreichend geregelte Substanzen geben. Weder die Produkthersteller noch die Behörden haben Möglichkeit, von einem Null-Risiko zu sprechen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir in der Regel unsere Ernährung nicht nur aus der gleichen Verpackung zu uns nehmen. Das macht das Risiko geringer, aber die Bewertung nicht einfacher.

    Wo sehen Sie momentan für Packmittelhersteller besonderen Handlungsbedarf?

    Ich sehe keinen besonderen Handlungsbedarf für Packmittelhersteller, solange man die Konformitätsbewertung im Auge behält.

    Wie schätzen Sie grundsätzlich die Bedeutung von Grenzwerten, z. B. für spezifische Migrationslimits (SML), ein?

    Grenzwerte sind natürlich für eine endgültige Beurteilung eine schöne Sache, nur darf man nicht vergessen, dass man bei den analytischen Größenordnungen, über die wir heute diskutieren, auch bei einer einfachen Überschreitung eines Grenzwertes noch nicht außerhalb einer Konformität liegt.

    Sie referieren über Klebstoffbewertung und -prüfung. Was bewegt Sie besonders in diesem Zusammenhang?

    Klebstoffe, wie auch alle anderen chemischen Produkte zur Veredlung von Verpackungsmaterialien, sind immer eine besondere Herausforderung, da man sich über die Anwendung vorher Gedanken machen und das auch mit den Messergebnissen bestätigen muss.

    Wie aufwendig sind bei Klebstoffen Reinheits- und Rückstandsprüfungen, um die lebensmittelrechtliche Eignung bei der Verwendung für Lebensmittelverpackungen zu gewährleisten?

    Die chemische Analytik von Klebstoffen ist nicht so aufwendig, solange eine gute Kommunikation über die Zusammensetzung und die Rohstoffe existiert. Schwierig sind dabei pauschale Analysen, mit denen nur die Listen der Standardverunreinigungen abgearbeitet werden. Das ist besonders im asiatischen Bereich häufig der Fall. Mit solchen Informationen kann man keine wirkliche Produktbewertung durchführen.

    Wofür begeistern Sie sich neben Ihren beruflichen Aufgaben?

    Ich begeistere mich natürlich für die üblichen, dem Alter angepassten, Sportarten. Zurzeit begeistert mich allerdings am meisten der persönliche Erfolg meines Sohnes bei „Jugend forscht“ im Bereich Chemie. Das hat mich persönlich dazu veranlasst, Schulen für Aktivitäten in diesem Bereich stärker zu unterstützen.

    Dr. Ralph Derra promovierte nach dem Studium der Chemie an der Universität Würzburg bei Prof. Helmchen. Nach Arbeitseinsätzen bei ISEGA GmbH in Berlin und in einer Papier- und Zellstoff-Fabrik in Deir-Ez-Zor, Syrien, übernahm er die Laborleitung der ISEGA GmbH, Aschaffenburg. Dort ist er seit 1986 Geschäftsführer.

    Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Verpackungsmaterialien, Boden- und Luftanalytik betreut er den Zertifizierungsbereich von Materialien im Kontakt mit Lebensmitteln. Neben der Analytik und Bewertung von Lebensmittelverpackungen sind Umweltauswirkungen wie Recycling und Kompostierung Arbeitsschwerpunkte.

    In der neuen Deutschen Akkreditierungsstelle DAkkS vertritt er die Gesellschaft Deutscher Chemiker GDCh in den Bereichen Chemie und gesundheitlicher Verbraucherschutz.

    Dr. Derra ist Obmann der analytischen DIN-Gruppen für Papier sowie für den Lebensmittelkontakt von Kunststoffen und vertritt in dieser Funktion auch die deutsche Normung in den europäischen Gremien bei CEN. Seit 2015 ist er Chairman des CEN/TC 172 Pulp, Paper and Board.


  • Nachhaltige Verpackungskonzepte für die Fleischbranche

    Nachhaltige Verpackungskonzepte für die Fleischbranche

    Darum geht es in dem Seminar, das das Kompetenznetzwerk Ernährungswirtschaft am 9. September 2019 bei der Micarna SA in Bazenheid/Schweiz veranstaltet. Ein Betriebsrundgang bei der Micarna SA rundet die Veranstaltung ab.

    Das Seminar greift das aktuell vielbeachtete Thema Lebensmittelverluste respektive «Food Waste» auf: Im Fokus steht das richtige Verpacken von Fleisch- und Wurstwaren, um den hohen Ansprüchen an Qualität, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Verbraucherfreundlichkeit gerecht zu werden.

    Dieses Seminar richtet sich an alle, die sich jetzt oder in Zukunft mit dem Thema “Nachhaltige Verpackungskonzepte für die Fleischbranche” beschäftigen. Mit dem Seminar möchte das Kompetenznetzwerk Ernährungswirtschaft auch Praktiker und Spezialisten aus den Bereichen Produktion, Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung und F&E, Herstellung und Handel sowie Mitarbeiter aus der Überwachung ansprechen, die sich mit Fragen zur Lebensmittelverpackung befassen.

    Weiterführende Informationen finden Sie hier.

  • Lebensmittelrecht und Verpackungen in Europa (D, A, CH)

    Lebensmittelrecht und Verpackungen in Europa (D, A, CH)

    Am 23./24. Oktober 2019 ist das Steigenberger Hotel Remarque wieder Veranstaltungsort für die im zweijährigen Rhythmus stattfindende Innoform-Tagung Lebensmittelrecht und Verpackungen in Europa (D, A, CH).

    Die Teilnehmer erfahren Hintergrundinformationen zu Gesetzes-Neuerungen aus der EU, Deutschland und der Schweiz, aber auch zu Regelwerken rund um den Globus und “rechtliche” Anforderungen religiöser Gruppen an Lebensmittelverpackungen.

    Im Fokus des Expertentreffs stehen die

    • Risikobewertung nicht gelisteter Substanzen
    • Screening-Methoden, auch von NIAS (non-intentionally added substance)
    • MOSH/POSH und MOAH
    • Bewertung von Maschinen und Anlagenteilen in Kontakt mit Lebensmitteln
    • Packmittel-Sensorik und ihre Aussagekraft
    • theoretische und prüftechnische Bewertung der Eignung von Packmitteln für Lebensmittel

    Weitere Themen sind neben den Anforderungen an lebensmitteltaugliche Recyclingpapiere, Barrieren und papierbasierte MMML sowie Regenerate und ihre Herausforderungen bei der Konformitätserklärung auch die Produktsicherheit für die Verwendung von Druckfarben für Lebensmittelverpackungen sowie die Klebstoffbewertung und -prüfung.

    Diese Tagung ist für mehr Sicherheit bei Folienverpackungen konzipiert worden und bietet Raum für Kontaktpflege und individuelle Gespräche.

    Das detaillierte Programm finden Sie hier. Sie benötigen weitere Informationen oder möchten sich anmelden? Rufen Sie uns an unter +49 5405 80767-0 oder schicken Sie eine E-Mail an coaching@innoform.de.

  • Neue Orientierungswerte für die Bewertung von Oligomeren aus PA6- und PA66-haltigen (Folien-)Verpackungen

    Neue Orientierungswerte für die Bewertung von Oligomeren aus PA6- und PA66-haltigen (Folien-)Verpackungen

    Die Oligomere des Polyamid 6 (aus Caprolactam) und aus Polyamid 66 (aus Hexamethylendiamin und Adipinsäure) sind nicht in der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 gelistet. Dementsprechend gibt es bisher auch keinen Grenzwert.

    Laut 21. Sitzung der BfR-Kommission (in Deutschland) für Bedarfsgegenstände (wie Verpackungen) wird die Bewertung von Polyamid-Oligomeren der Stellungnahme Nr. 014/2018 des BfR vom 30. Mai 2018 überarbeitet.

    Aufgrund vorliegender Studien zur Genotoxizität sowie zur akuten, subakuten und subchronischen Toxizität einzelner Oligomere bzw. von Mischungen verschiedener Oligomere ist die folgende Höchstmenge für eine Migration als toxikologisch akzeptabel einzustufen: 5 mg/kg Lebensmittel(-simulanz) als Summe der Migrationswerte der zyklischen PA 6-Oligomere (n = 2 bis 8, also Dimer bis Octamer) sowie der zyklischen PA 6,6-Oligomere (n = 1 bis 4, also „Monomer“ bis Tetramer). Vorher lag der angenommene Orientierungswert bei 0,09 mg/kg Lebensmittel(-simulanz). Es ergibt sich somit für einige, früher gemessene Grenzwertüberschreitungen eine Entschärfung.

    Die vollständige Veröffentlichung (Protokoll vom 7. November 2018) finden Sie hier: https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/21-sitzung-der-bfr-kommission-fuer-bedarfsgegenstaende.pdf

  • Vorhersage-Tool zur Bewertung MOSH/MOAH relevanter Beiträge

    Vorhersage-Tool zur Bewertung MOSH/MOAH relevanter Beiträge

    11.03.2019: Das Bemühen der Lebensmittelwirtschaft und ihrer Zulieferbranchen, geeignete Lebensmittelverpackungen einzusetzen, deren Beschaffenheit den potentiellen Übergang von Mineralölsubstanzen (MOSH und MOAH) oder Analogen auf die verpackten Lebensmittel nicht zulässt, war der Hintergrund für ein Projekt der Gemeinschaftsforschung auf der Plattform des Forschungskreises der Deutschen Ernährungsindustrie (FEI).

    In drei Jahren intensiver Mess-, Modellierungs- und Zusammenarbeit haben das Fraunhofer Institut für Verpackung und Verfahrenstechnik (IVV) Freising und das Institut für Systemverfahrenstechnik der TU München unter Federführung des BLL und des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) eine Technische Leitlinie zur Vermeidung von Mineralöeinträgen an relevanten Stellen entwickelt.

    Mit Hilfe des Tools lassen sic MOSH/MOAH-relevante Beiträge bezüglich ihrer Eignung bewerten und Maßnahmen zur Minimierung oder Vermeidung der Produktbelastung durch neue Verpackungslösungen (wie Barriereschichten, Innenbeutel, Adsorberlösungen, Frischfaserverpackungen) von bereits eingesetzten Lebensmittel-Verpackungslösungen beurteilen.

    In einer gestuften Vorgehensweise können Unternehmen ohne Messungen auf dem mathematischen „Modelling“ beruhende Annahmen zum MOAH-Übergang berechnen und Freigabeentscheidungen treffen. So können Mineralöleinträge an relevanten Stellen vermieden werden.

    Bei komplexeren Fragestellungen sind Migrationsmessungen nach den im Projekt angewandten Methoden bei IVV erforderlich . Die 52seitige Leitlinie steht Interessierten kostenfrei als Druckfassung oder als Download-Version zur Verfügung.

    Auch dieses Thema wird bei unserer Tagung rund um Lebensmittelrecht
    http://le.innoform.de diskutiert werden.

  • These der Woche 4: Verpackungen emittieren Mikroplastik

    These der Woche 4: Verpackungen emittieren Mikroplastik

    Mikroplastik ist nicht nur in aller Munde, sondern auch in jeder Kunststoffverpackung zu finden. So oder so ähnlich lauten viele aktuelle Schlagzeilen rund um das Thema Vermüllung (Littering) der Meere, Wälder und auch der Lebensmittel.

    Hinzu kommen Bemühungen verschiedener NGO’s, Umweltorganisationen, Medien und auch der Politik, das Thema Mikroplastik für das Verdrängen von Plastik insgesamt aus unserem Leben zu instrumentalisieren.

    Was ist Mikroplastik eigentlich?

    Aber was ist denn nun eigentlich Mikroplastik, wie gefährlich ist es und wo kommt es her? Leider werden hier oft viele Sachverhalte in einen Topf geworfen und durcheinander gebracht. So hat die schwimmende Rewe-Tüte im Rhein erst einmal keinen Einfluss auf Mikroplastik. Dafür muss diese erst einmal über einen langen Zeitraum durch Sonne und Bewegung zu solchen kleinen Teilchen von 1 – 500 µm Durchmesser zermahlen werden. Zum Vergleich: Die Dicke eines menschlichen Haars  wird im Durchschnitt mit rund 80 µm beschrieben. Mikroplastik ist also mikroskopisch klein, aber gut nachweisbar. Die Schwierigkeit bei der Analyse besteht eher darin, den s. g. Blindwert – also einen Messwert für “Null”- für den Gehalt von Mikroplastik in einer Probe sicher zu bestimmen, da praktisch überall in der Luft, im Wasser und im Boden Mikroplastik allgegenwärtig zu finden ist.

    Man unterscheidet somit zwei Arten von Mikroplastik: Typ A, welcher als Mikroplastik benutzt wird (z. B. in Cremes) und Typ B, der bei Gebrauch, Verbrauch und Entsorgung von Plastik entsteht.

    Bei Typ B wird dann noch in 2 Untergruppen unterschieden: primär (durch Abrieb oder beim Gebrauch anfallend) und sekundär (zermahlen und Zerfall durch chemische und physikalische Zerfallsprozesse, u. a. durch UV-Licht).

    Wo kommt Mikroplastik her?

    Heute kennen wir viele Quellen von Mikroplastik. Eine Liste der häufigsten Quellen findet sich hier.

    Unter den Topp 5 Quellen tauchen Verpackungen bisher gar nicht auf. Die Liste wird angeführt von:

    • Reifenabrieb
    • Emissionen bei der Abfallentsorgung
    • Abrieb von Polymeren und Bitumen in Asphalt

    Das Fraunhofer Umsicht Institut kommt somit zu dem Schluss:

    Primäres Mikroplastik vom Typ B (beim Gebrauch entstehendes Mikroplastik) ist in Bezug auf die emittierte Menge relevanter als Typ A; Elastomere machen den größten Teil des Mikroplastiks aus;
    Verkehr, Infrastruktur und Gebäude emittieren die größten Mengen.

    Wo kommt Mikroplastik vor und wie gefährlich ist es?

    Grundsätzlich findet sich nahezu überall Mikroplastik. Egal, ob man Wasser, Luft, Fische, Muscheln oder einen Ackerboden analysiert, Mikroplastik lässt sich fast immer nachweisen. Auch hier gilt, je kleiner ein Partikel ist, desto eher kann er vom menschlichen Organsimus aufgenommen werden. Dieses gilt insbesondere für Partikel kleiner als 50 µm. Da die Forschung hier noch am Anfang ist, lässt sich überhaupt noch keine toxikologische Bewertung durchführen. Hier liegt viel Arbeit bei den zuständigen Labors. Der Volksmund würde sagen – “Gut ist das wohl eher nicht…”

    Welchen Einfluss haben Verpackungen auf Mikroplastik im Lebensmittel?

    Man weiß heute, das z. B. Muscheln mit Mikroplastik angereichert sind. Ob dadurch eine Gefahr ausgeht, ist unklar. Klar hingegen ist: der Plastikpartikelgehalt aus den Muscheln ist verschwindend gering (123 Partikel/Jahr), im Vergleich zu dem, was durch die Luft auf jede Mahlzeit gelangt (bis zu 114 Mikroplastikpartikel pro Mahlzeit).

    In einer Studie des Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe wurden verschiedene verpackte Mineralwasser untersucht.

    Es wurde Mineralwasser aus 22 verschiedenen Mehrwegflaschen und Einwegflaschen aus PET untersucht, aus 3 Getränkekartons und 9 verschiedenen Glasflaschen. Dabei wurde in allen Verpackungsarten Mikroplastik im kleinen (50 – 500 µm) und sehr kleinen (1 – 50 µm) Größenbereich gefunden. Ca. 80 % aller identifizierten Partikel gehörten dem kleinsten untersuchten Größenbereich von 5-20 µm an.

    • In PET-Mehrwegflaschen fand man  118 ± 88 Mikroplastikpartikel/L (MPP/L).
    • In PET-Einwegflaschen wurden lediglich 14 ± 14 MPP/L gefunden.
    • Und in Getränkekartons wurden sogar nur 11 ± 8 MPP/L gefunden.

    Hier scheinen also die Einwegflasche und der Getränkekarton deutlich vorteilhafter zu sein.

    Erkenntnislage heute

    Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die menschliche oder tierische Gesundheit durch Mikroplastik gefährdet wird. Mikroplastik kann Giftstoffe absorbieren und im Körper abgeben, auch wenn es selber wieder ausgeschieden wird. Mikroplastik in Lebensmitteln ist im Vergleich zur Kontamination beim Essen selbst durch die Luft deutlich kleiner. Einweg-PET-Flaschen sind weniger mit Mikroplastik verunreinigt als Mehrwegflaschen. Kunststoffverpackungen bringen auch immer Mikroplastik in die Umwelt und ins Lebensmittel ein. Plastik in der Umwelt summiert sich Jahr für Jahr auf und kann dadurch zur Zeitbombe werden. Die Kontamination der Luft durch Verkehr und bei der Abfallentsorgung muss vorrangig bei der Bekämpfung von Mikroplastik in den Fokus rücken.

    Quellen:

    https://www.cvua-mel.de/index.php/aktuell/138-untersuchung-von-mikroplastik-in-lebensmitteln-und-kosmetika

    http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0043135417309272

    http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0043135417309272

    https://www.umsicht.fraunhofer.de/content/dam/umsicht/de/dokumente/publikationen/2018/kunststoffe-id-umwelt-konsortialstudie-mikroplastik.pdf

    von Karsten Schröder

  • 11. Änderung der EU-Kunststoff-Verordnung veröffentlicht

    11. Änderung der EU-Kunststoff-Verordnung veröffentlicht

    Mit der 11. Änderungsverordnung wurden 2 neue Substanzen in die Stoffliste im Anhang I aufgenommen, und die spezifischen Migrationsgrenzwerte für 2 gelistete Stoffe (Perchlorsäure, Salze, FCM 822 und Phosphorige Säure, gemischte 2,4-Bis(1,1-dimethylpropyl)phenyl- und 4-(1,1-Dimethylpropyl) phenyltriester, FCM 974) wurden geändert.

    Es gibt eine Übergangsfrist für den Abbau von Beständen. Materialien und Gegenstände aus Kunststoff (z. B. Verpackungen), die der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 in der vor Inkrafttreten der vorliegenden Verordnung gültigen Fassung entsprechen, dürfen bis zum 26. Juni 2019 in Verkehr gebracht werden.

    Die Verordnung in europäischen Sprachen finden Sie hier: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32018R0831

     

  • Neue Herausforderungen und Chancen für SUP´s (Stand-up Pouches)

    Neue Herausforderungen und Chancen für SUP´s (Stand-up Pouches)

    Gemeinsam mit Henno Hensen organisieren wir die 6. Europäische Standbeutelkonferenz. Eines der Schwerpunktthemen in diesem Jahr wird die Kreislaufwirtschaft sein. Hier finden Sie ein interessantes Statement von Henno zu einem seiner Babys – dem Mono-Material SUP.

    Einer für alles – Beutellösung zu 100% aus Polypropylen 

    Eine der prioritären Forderungen an zukunftsfähige Verpackungskonzepte aus Kunststoff lautet: Die Lösung sollte aus einem sortenreinen Werkstoff bestehen. Spätestens mit dem Inkrafttreten des neuen Verpackungsgesetz (KrWG) am 01.01.2019 erhalten Faktoren wie Recyclingfähigkeit, Wiederverwertbarkeit und ein darauf bereits zuvor ausgelegtes Verpackungsdesign höchste Bedeutung. Neue, wiederverschließbare Beutelverpackungen aus 100 % PP erfüllen diese Kriterien ebenso wie sie die nicht minder gewichtigen Eigenschaften optimalen Produktschutzes, gesicherter Transporteigenschaften wie auch erforderlicher Informationswiedergabe für Verbraucher aufweisen.

    Hensen Consult hat mit versierten Partnern die gesamte Prozesskette für diese Monomaterialverpackung entwickelt und zur Marktreife geführt. Damit entsprechen die PP-Beutel, die dezidiert für den Einsatz als Lebensmittelverpackung, auch für flüssige Produkte, konzipiert sind, den Vorgaben des KrWG: Sie sind derart gestaltet, dass sie mit bestehender Sortier- und Recyclingtechnik der Wiederverwertung zugeführt werden können. Ein Zertifikat von Interseroh bezogen auf diese Beutel bestätigt die optimale Auslegung im Sinne der Recyclingfähigkeit. Folienmaterial, Verschluss und Beutelkonfektionierung sind nach langen Versuchsreihen nun zu einer funktionierenden Einheit zusammengefügt.

    Erste Muster dieser Entwicklung für einen 130 ml-Beutel zeigen wir auf der Standbeutelkonferenz in Berlin. In Kürze werden auch Beutel mit Inhalten bis 750 ml zur Verfügung stehen. Mit diesem Monomaterial-Beutel wird Markenartikelherstellern eine Verpackungslösung zur Verfügung gestellt, die Verpackungsabfall vermeidet und die Wiederverwendung im Sinn der Kreislaufwirtschaft  ermöglicht.

     

    Bremen im April 2018

    Henno Hensen

     

    HENSEN CONSULT

    Consultant for flexible packaging

    Buergermeister-Spitta-Alle-58F

    D-28329 Bremen 
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